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bio-inspired electronics 📖

Die Technologie, die wir heute als „fortschrittlich“ bezeichnen, hinkt diesem Anspruch in großem Maße hinterher. Es ist an der Zeit, unser Verständnis von Technologie neu zu denken. Die folgende, prototypisch-spekulative Betrachtung erkundet genau diese Möglichkeiten.

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📖 THEORIE

Die Natur als Blaupause: Für eine radikal kreislauffähige Elektronik


Unsere moderne Technologiewelt steht auf einem Fundament aus endlichen Ressourcen und linearen Produktionswegen. Typische elektronische Komponenten und Leiterplatten (PCBs) sind aus nicht kreislauffähigen Materialien gefertigt – oft werden seltene Erden benötigt, verbunden mit komplexen, energie- und ressourcenintensiven Fertigungsmethoden. Diese Geräte sind häufig von geplanter Obsoleszenz geprägt und erzeugen Berge von Elektroschrott, der unsere Ökosysteme belastet. Gleichzeitig verbrauchen die vermeintlichen Kronjuwelen des Fortschritts, wie riesige KI-Rechenzentren, unermessliche Energiemengen.

Betrachtet man hingegen emergente Systeme in der Natur, so entsteht systemisch intelligentes Verhalten durch das Zusammenspiel einfacher, energieeffizienter Komponenten, die sich ausschließlich in einem natürlichen Kreislauf befinden. Ob Nervensysteme, sensorische Apparate oder organismusübergreifende Verhaltensweisen wie Schwarmintelligenz – sie alle stehen in einem engen, ressourcenschonenden Verhältnis zu ihrer Umwelt. Die Technologie, die wir heute als "fortschrittlich" bezeichnen, hinkt diesem Anspruch in großem Maße hinterher. Es ist an der Zeit, unser Verständnis von Technologie neu zu denken. Die folgende, prototypisch-spekulative Betrachtung erkundet genau diese Möglichkeiten.

Wachsende Schaltkreise: PCB-Design inspiriert von Wachstumssystemen


Myelinisierte Netzwerke unseres Nervensystems oder die verzweigten Strukturen von Pflanzen, beschreibbar durch algorithmische L-Systeme, sind hoch effiziente, signalübertragende Systeme in der Natur. Sie folgen einer grundlegenden Logik der Minimierung von Weglängen und des robusten Transports von Information. Wenn wir diese naturinspirierten Systeme als Vorbild nehmen, um Schaltkreise neu zu konzipieren, eröffnen sich faszinierende Perspektiven. Statt starrer Platinen könnten wir Schaltungsmuster "wachsen" lassen, die sich selbst optimieren und im Idealfall sogar selbst reparieren können. Ein solcher Ansatz würde nicht nur Material sparen, sondern auch langlebigere und anpassungsfähigere Elektronik hervorbringen.

Die Rückkehr in den Kreislauf: Der Weg zu biologisch abbaubarer Elektronik

Die ultimative Form der Nachhaltigkeit ist die vollständige Integration in biologische Kreisläufe. "Verrottbar und kreisläufig" muss das neue Leitmotiv für die Elektronikindustrie werden. Die Forschung arbeitet bereits an Lösungen, wie ein Artikel von "Specialty Fabrics Review" zeigt: Dort werden biologisch abbaubare Leiterplatten vorgestellt, die das Recycling von Elektronik drastisch vereinfachen könnten. Doch die Vision geht noch einen Schritt weiter: Wenn organisches, vielleicht sogar lebendiges Material verwendet wird, kann Elektronik nicht nur als statisches, sondern als evolvierendes System gedacht werden, das sich seiner Umwelt anpasst und am Ende seines Lebenszyklus spurlos in sie zurückkehrt.

PCB von Blattskeletten
https://www.science.org/content/article/producing-circuit-boards-leaves-would-prevent-millions-tons-e-waste
PCB mit biodegradbale materials
[Specialty Fabrics Review, 2023]
https://specialtyfabricsreview.com/2023/11/01/biodegradable-circuit-boards-easier-electronics-recycling/

Drucken statt ätzen: 3D-gedruckte Schaltungen aus Biokompositen


Ein vielversprechender Pfad in diese Richtung ist der 3D-Druck von Schaltkreisen. Hier kann die Basisplatine aus cellulosebasierten Materialien oder einfachem Holz bestehen, das als isolierender und stabilisierender Träger fungiert. Statt Kupfer oder Silber könnten leitfähige Materialien wie Graphit zum Einsatz kommen, um vergleichbare Funktionen mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck und biologisch abbaubaren Eigenschaften zu ermöglichen.

Die radikale Perspektive: Gedruckte neuronale Netze aus Hydrogelen


Noch einen Schritt weiter geht die Forschung mit Hydrogel-basierten 3D-Druckern. Diese Technologie, die in der Lebensmittelforschung und Medizin zur Herstellung künstlicher Organe erprobt wird, ermöglicht das Drucken mit Pasten und Flüssigkeiten, die lebendiges, organisches Material integrieren können (Quelle: ScienceDirect, 2024). Während hier Herausforderungen wie Wirtschaftlichkeit und biologische Kompatibilität im Vordergrund stehen, eröffnet sich eine radikale Perspektive: Könnten wir damit nicht nur Gehäuse, sondern funktionale, organische neuronale Netze drucken und betreiben? Die Möglichkeit, technologische Systeme zu schaffen, die den fließenden, anpassungsfähigen und letztlich vergänglichen Prinzipien des Lebens folgen, würde unser Verständnis von Elektronik fundamental verändern und einen echten Bruch mit der Wegwerfkultur bedeuten.

Die Zukunft unserer Technologie liegt nicht in immer komplexeren Extraktions- und Verarbeitungsmethoden, sondern in der intelligenten Nachahmung der bewährten, kreislauforientierten und ressourcenleichten Prinzipien der Natur.